Angst als Kraft erleben
“Mir wird ganz anders. Ich schwitze. Ich kann nicht mehr atmen. Ich fühle mich in Not. Ich kann nicht mehr klar denken. Das ist mir zu viel. Es ist ein schrecklicher Zustand.” Im aller ersten Moment erlebe ich Angst meist so oder ähnlich. Als körperlich unangenehmen Zustand, den ich so schnell wie möglich loswerden will.
Dann erinnere ich mich: “Atme, Susanne.” “Atme ganz runter und lass die Rippen wieder in Bewegung kommen.” “Spüre den Körper.” “Der Körper weiß, wie er am besten mit Angst umgeht.”
Kurz bin ich noch im Widerstand und versuche krampfhaft “den Kopf über Wasser zu halten.” Da habe ich ANGST vor der Angst.
Dann atme ich das erste Mal auf. Ich lasse meine Schultern los, entspanne meinen Kiefermuskel ein Stück, lass meinen Blick weicher werden und meinen Oberbauch auch. Alles was möglich ist. Und jetzt spüre ich das Beben in mir. Manchmal wird mir ganz heiß. Manchmal wird mir auch kalt und mein Körper fühlt sich innerlich zittrig an. Manchmal erlaube ich mir zu zittern. Das Lockern der Muskeln erleichtert den inneren Druck.
Ab jetzt wird das Ganze angenehmer. Ich fühle mich wieder mehr bei mir und gesammelter.
Es ist als ob ich vorher immer einen Druckkochtopf aus meinem Körper gemacht hätte – sehr unangenehm. Und wenn ich meinen Körper entspanne, kann sich all diese Angst, die in mir geweckt ist, verteilen. Ich werde klarer. Ich werde ruhiger im Kopf – auch wenn mein Körper noch voll Energie ist. Ich fühle mich fähiger mit der Situation umzugehen und lebendiger.
“Deine Angst ist auf deiner Seite und arbeitet für dich.” Diese Idee aus der Grinberg Arbeit machte mich neugierig. Stimmt es, dass Angst nützlich für mich sein kann? Ist es möglich, dass sie von meinem eigenen Körper gemacht wird um mich am Leben zu halten? Kann es sein, dass mich diese Kraft wirklich klar, effizient und sogar kreativer machen kann? Ist es wirklich so, dass diese Kraft für mich arbeitet?
Wie kann ich das erleben? Durch die Körperarbeit habe ich mich also auf dieses kleine Abenteuer in mir eingelassen. Mein Interesse an einem anderen Umgang mit dieser bewegenden Kraft war geweckt.
Jetzt musste ich umlernen: statt den Atem anzuhalten und flach zu hecheln: ATMEN.
Atmen und meinem Körper die Chance geben mit der Welle umzugehen. Denn Angst wird nicht im Kopf gelöst. Wenn sie im Körper gespürt wird, kann sie ihre wahre Kraft entfalten. Und zwar ohne diesem inneren Druck und der panischen, lähmenden oder verkrampften Reaktion. Ich lernte mich vom Fluss der Angst in mir tragen zu lassen.
Ich habe gelernt, meine „Angst vor der Angst“ zu stoppen. Während meinem Lernprozess habe ich verstanden, dass das Unwohlsein, das ich vorher Angst nannte, gar noch nicht die Angst selbst war. Es war nur meine Reaktion darauf.
Wo spannt sich mein Körper an? Wo wird er eng? Ich habe gelernt, gleichzeitig im Körper loszulassen.
“Ja ha-ha! Das ist genau das Gegenteil von dem, was jede Phaser in meinem Körper im “Druckkochtopf-Modus” macht.“
Aber jedes Mal, wenn ich mich dazu überwinde zu atmen und loszulassen, bekomme ich die Bestätigung:
Es geht mir einfach besser, wenn ich mich hinein entspanne. Dann bin ich nicht mehr gelähmt von dieser Angst sondern erlebe die Kraft, die in meinem Körper in Bewegung kommt. Ich fühle mich fähig.
Heute will ich meinen anderen Blickwinkel mit dir teilen.
Vor kurzem habe ich als Praktikerin am Pilot-Workshop “Fear as Power” von Avi Grinberg mit drei meiner Klienten teilgenommen. Über 120 Menschen europaweit waren wir, die gleichzeitig die Vorträge und angeleiteten Sitzungen mitgemacht haben. Und jede*r erlebte, auf seine/ihre ganz individuelle Art, was Angst eigentlich für uns sein kann. Neue Möglichkeiten eröffnen sich, wenn wir uns körperlich einlassen.
In den Einzel-Sitzungen ist Angst in ihren tausend Variationen auch immer wieder anwesend und Menschen sind überrascht davon, was diese Kraft alles für sie tun kann.
Bist du jetzt auch neugierig geworden? Dann beginne darüber nachzudenken, welche Meinung du über deine Angst hast und wie du normalerweise körperlich darauf reagierst. Unter den passenden Voraussetzungen ist dein Körper ein Spezialist im Umgang mit der Angst. Wir können auf recht einfache Weise lernen, wieder Kraft aus unserer Angst zu schöpfen.